Wake me up, before you gogo



Das Gefühl dürfte bekannt sein: Du sitzt vor Deinem Bildschirm, links oben zwinkert Dir der Cursor verführerisch zu, Du holst noch einmal tief Luft und dann - nichts.
Kein Wort will sich aus Deinen Fingern lösen, Du zermarterst Dir krampfhaft das Hirn auf der Suche nach Sätzen, aber da, wo eigentlich ein Quell überbordernder Phantasie sein sollte, ist nur eine leere Ödnis.
Keine große Sache, wenn Du nur zum Spaß schreibst. Dann machst Du einfach etwas anderes - mähst den Rasen, kaufst lustige Dinge oder gehst zur Arbeit.
Was aber, wenn das genau Deine Arbeit ist, Texte schreiben? Oder Geschichten? Oder ganze Romane?
Dann ist das eine ziemlich unschöne Situation.
Und in genau so einer unschönen Situation steckt gerade Alan.
Alan Wake ist Schriftsteller, keiner mit Ambitionen auf den Literaturnobelpreis, eher Horrorgeschichten à la Stephen King und so'n Zeugs.
Dummerweise hat er seit zwei Jahren nichts mehr geschrieben. Sein Verleger wird unruhig, sein Agent wird unruhig und er selbst natürlich auch.
Also beschließt er, gemeinsam mit seiner Frau in das idyllische Nest Bright Falls zu reisen um dort den Kopf einfach mal vom alltäglichen Stress in der Großstatdt frei zu bekommen.
Ein Fehler, wie sich bald herausstellen wird...

Don't fear the dark

Zu Beginn, bei Tageslicht, ist Bright Falls eine schnarchige Kleinstadt mit dem obligatorischen schnarchigen Kleinstadtpersonal - die völlig in Mr. Wake vernarrte Kellnerin des örtlichen Diner, die nervigen, aber gutmütigen Besoffenen, die seltsame alte Dame, die Alan vor der Dunkelheit warnt, als er gerade einen Gang mit defekter Deckenbeleuchtung betritt, um den Schlüssel des von ihm angemieteten Ferienhäuschens abzuholen.
Ach ja, und die nicht minder seltsame andere alte Dame, die ihm dann den Schlüssel und eine Wegbeschreibung zur Hütte in die Hand drückt, weil der Vermieter plötzlich erkrankt sei und dies deswegen nicht selber übernehmen könne.
Noch seltsamer, dass gerade in dem Moment, in dem Alan und seine Frau losfahren, der Vermieter auf die Straße stürzt und ihnen nachruft, dass sie doch noch gar nicht ihren Schlüssel in Empfang genommen hätten.
Schade nur, dass die beiden das nicht mehr hören...
In der Hütte angekommen, gibt es gleich einen handfesten Streit zwischen Alan und seiner Frau, weil diese ohne Alans Wissen einen ortansässigen Psychiater kontaktiert hat, der auf die Therapierung von Künstlern spezialisiert ist.
Alan stürmt zornig aus dem Haus in die herannahende Dämmerung.
Doch kaum ist er ein paar Schritte vom Haus entfernt, hört er seine Frau verzweifelt um Hilfe rufen. Er stürzt in die Hütte zurück und sieht gerade noch, wie seine Frau im die Hütte umgebenden See untertaucht.
Alan springt hinterher, wird ohnmächtig und als er wieder erwacht, sitzt er in einem Unfallauto mitten in einem finsteren Wald. Seine Frau ist verschwunden und ihm fehlen sieben Tage.
Alan macht sich also auf die Suche.
Und damit beginnt die Geschichte.

Mittendrin, statt nur dabei


Richtig, bis dahin war es nur Vorgeplänkel zu dem Zweck, den Spieler mit der recht eingängigen Steuerung vertraut zu machen und in die Geschichte zu ziehen.
Noch vor der Ankunft in Bright Falls bekommt man übrigens schon einen Vorgeschmack auf das, was einen im späteren Spiel erwartet. Man lernt in einem gut gemachten Tutorial, mit den beiden wichtigsten Hilfsmitteln umzugehen, nämlich einer Taschenlampe (später gibt es auch stärkere Lichtquellen) und einem Revolver (später gibt es, man ahnt es schon, auch stärkere Waffen).
Die in zahlreichen Varianten auftretenden Gegner zu besiegen, ist eigentlich ganz einfach - erst mit der Lichtquelle anstrahlen, dann, wenn die Gegner durch das Licht geschwächt sind, zwei bis drei Schüsse auf sie abgeben und weiter geht es.
Alan Wake steuert sich dabei wie ein klassisches Third-Person-Actionadventure, greift aber bei den Kämpfen in die Trickkiste.
Dummerweise haben Taschenlampenbatterien nämlich die fatale Eigenschaft, irgendwann einmal leer zu sein, so dass man ständig Reservebatterien in der Hinterhand haben sollte. Gleiches gilt für die Waffen - sind sie erstmal leergeschossen, ist man bis zum Ende des Nachladevorgangs hilflos.
Die Kombination dieser beiden Elemente sorgt oft genug für schweißnasse Hände, insbesondere, wenn die Musikuntermalung dem Spieler klar macht, dass irgendwo wohl noch ein Gegner steckt, der sich jederzeit auf einen stürzen könnte.
Dass die Gegner das überhaupt schaffen, liegt an der brillanten Grafik. Der nächtliche Wald, in dem große Teile der Geschichte spielen, ist finster, dicht bewachsen und von Nebelschwaden durchzogen. Und aus genau diesem Nebel schälen sich die Bösewichte heraus, wirken wie organische Bestandteile des Nebels und zerstauben, wenn man sie besiegt hat, wie die Asche eines verbrannten Blatt Papiers. Das Spiel bleibt dabei angenehm unblutig; Splatterfreunde werden hier definitiv nicht glücklich.
Wen das nicht stört, der bekommt mit Alan Wake ein faszinierendes Stück erwachsener Unterhaltung präsentiert (USK-Freigabe ist ab 16), das inszeniert ist wie eine Fernsehserie mit fünf Folgen, einschließlich Cliffhanger zum Ende und einem "Was bisher geschah" zu Beginn jeder neuen Folge.
Die Geschichte ist zwar linear erzählt, aber es gibt abseits des eigentlichen Handlungsrahmens eine Menge Dinge zu entdecken.
Natürlich die obligatorischen Waffen, Munition und Taschenlampenbatterien am Wegesrand, aber auch gut versteckte Sachen wie Thermoskannen (warum auch immer), Waffendepots, die man nur findet, wenn man die Umgebung nach hellgelb fluoreszierenden Stellen absucht und Seiten eines manuskripts, das zwar offensichtlich von Alan Wake stammt, bei dem er sich aber nicht erinnern kann, es geschrieben zu haben.
Nicht versäumen sollte man auch, regelmäßig Fernsehgeräte und Radios einzuschalten - ersteres zeigt regelmäßig Folgen einer an "Twilight Zone" erinnernden Fernsehserie, in letzterem läuft neben sehr guter Musik auch immer wieder einmal eine Radio-Talkshow mit Anrufern und einem Moderator, dessen Bemerkungen immer wieder die Handlung zu kommentieren scheinen.

Look and feel

Wie sieht es denn nun aus? Grundsätzlich toll, insbesondere der Wald in der Nacht wirkt sehr organisch und vermittelt hervorragend das Gefühl, einsam und bedroht zu sein.

Sehr schön zu erkennen - Landschaftsveränderungen im Laufe des Tages (via imageshack.us)

Die Grafik am Tag kann leider nicht so ganz mithalten; manche Animation wirkt etwas hölzern, Lippenbewegungen sind selten synchron zum gesprochenen Text und zumindest ich könnte keinen Gegenstand festhalten, hielte ich meine Hände so, wie der Herr Wake es tut.
Die lange Entwicklungszeit von fünf Jahren fordert hier schon ihren Tribut, insgesamt sieht es aber trotzdem sehr schön aus, und wenn erst einmal ein irrer, schattenhafter Holzfäller mit der Axt auf Alan losgeht, hat man ohnehin keine Zeit mehr, darauf zu achten, wie der gerade seine Taschenlampe festhält.
Die Sprachausgabe ist ganz ordentlich, ich hätte mir aber schon gewünscht, dass der eine oder andere Sychronsprecher mit etwas mehr Enthusiasmus bei der Sache wäre.
Sehr gelungen sind dagegen die Radio- und Fernsehsendungen.
Das Spiel ist übrigens auch in der englischen Importversion bei entsprechender XBOX-Einstellung komplett in deutscher Sprache, so dass man beruhigt importieren kann, auch wenn man des Englischen nicht mächtig ist.

To buy or not to buy

Sollte man es sich denn jetzt kaufen?
Fans von Survivalhorrorspielen, die verschmerzen können, dass hier mal keine Köpfe per Schrotflinte entfernt werden, sollten auf jeden Fall das Portemonnaie zücken.
Freunde intelligent erzählter Geschichten ebenso.
Genau wie all diejenigen, die schon immer einmal eine Geschichte wie von Stephen King ausgedacht nicht nur lesen, sondern auch spielen wollten.
Selbst Lovecraft-Fans sollen im Laufe der Geschichte zu ihrem Recht kommen, sagt man.

Wer sich zu einem der genannten Personenkreise zählt: Kaufen!
Es lohnt sich!

Alan Wake
Action-Adventure/Survival-Horror
Remedy/Microsoft
ca. 50,- € bis 65,-€ (limited Edition)

Kommentare

  1. Jetzt bin ich aber auch am überlegen :)

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  2. Ich schieb noch ein paar Bilder nach - so ist das ja etwas nichtssagend.

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  3. Ich bin beeindruckt... hm... vielleicht nächsten Monat... mal gucken ;)

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