Alte Kameraden

Ich bin alt, meine Augen sind grau und meine Haare werden müde.
Aber hören, hören kann ich noch wie ein Luchs. Wie ein alter Luchs, zugegeben, aber immerhin.
Was liegt da näher, als anstelle gedruckter Werke über Computerspiele auf gesprochene zuzugreifen.Genau. Podcasts.
Da gibt es richtig feine - der Herr Womble hat ja bereits im letzten Jahr wunderbar vorgelegt mit seinen berufstätigen Spielern. Um die zu verstehen, sollte man aber des Englischen nicht völlig unmächtig sein, auch wenn sie sehr manierlich sprechen.
Ich bin manchmal zugegebenermaßen zu faul dazu, mich in auswärtige Sprachen reinzuhören, daher beschäftige ich mich hier einfach mal mit deutschen Podcasts.
Und wenn hier von deutschen Podcasts die Rede ist, steht einer ganz oben:
Der Spieleveteranen-Podcast

Ins Leben gerufen vom Urgestein der spieletestenden Zunft, nämlich von
Boris Schneider-Johne
Heinrich Lenhardt
Anatol Locker und als Nesthaken sozusagen
Jörg Langer.
Mittlerweile ist auch noch Winnie Forster dazugestoßen und die Fünf werden in schöner Regelmäßigkeit ergänzt um weitere Veteranen der schreibenden Zunft; neben
Martin Gaksch war auch schon Michael Hengst dabei; auch Chris Hülsbeck (der wenngleich nicht als Tester, so doch ganz sicher als alter Herr der Spielesoundtracks in guter Erinnerung) hat sich schon hören lassen.

Das ist aus personeller Sicht natürlich ein Line-Up, das jeden, der schon in den Neunzigern (oder vielleicht sogar Achtzigern) gelegentlich einmal in ein Computerspielemagazin geschaut hat, verzückt mit der Zunge schnalzen lässt.
Die Helden meiner, naja, Jugend, versammelt, um über mein liebstes Hobby zu sprechen!
Die fünf Kernherren sind bis heute im Geschäft aktiv, haben neben Spielejournalismus auch noch andere Jobs in der Branche gehabt (Schneider-Johne z.B. als Übersetzer klassischer Lucasfilm-Adventures und aktuell tätig bei Microsoft).
Was müssen diese Veteranen an Insiderwissen besitzen, an Einblicken in das Geschäft, an Anekdoten aus der Frühzeit der Telespiele bis heute. Was muss das doch für ein genialer Podcast sein.

Ist er nur dummerweise nicht.

Zum Einen fehlt ihm jegliche Struktur.
Beim Hören habe ich immer den Eindruck, dass man sich unbedarft, ungeplant und ohne Konzept wieder mal zusammen gesetzt hat und dann drauf los redet.
Keiner schafft es auch nur annähernd, eine Moderatorenrolle zu übernehmen - na gut, Lehnhardt versucht es gelegentlich, wird aber immer wieder von einem penetrant sein aktuelles Projekt ins Gespräch bringenden Langer an die Wand gequatscht, Schneider-Johne, der als Manager ja gewisse Leitungsqualitäten besitzt (oder es sollte) hält sich vornehm bei der Gesprächsführung zurück und Anatol Locker, der Ruhigste der Gesellen scheint sich gar nicht zu trauen, moderierend einzugreifen, getreu dem Motto "Wenn der Langer jetzt 'ne Stunde quatscht, schneid ich halt 50 Minuten davon später raus".
Das ist für den Hörer nicht schön, weil es so beliebig wirkt.

Zum Anderen, und das stößt mir besonders auf, fehlt es an Inhalten. Wie schon gesagt, die Herren dürften über einen Erfahrungsschatz in diesem Bereich verfügen, der weit über dem vieler anderer liegt, die sich an Podcasts versuchen.
Und was kommt dabei raus? Wenig.
Wo bleiben die Insiderinformationen? Wo bleiben die Diskussionen über Spiele damals und heute? Über Entwickler und deren Philosophien? Über Soft- und Hardwarefirmen? Über Gängelung der Computerspieler durch überzogene Kopierschutzmaßnahmen?
Da kommt nix. Und Beiträge wie "ich hab da ein Projekt, das ist genial, aber wenn ich davon erzählen würde, müsste ich bei jedem Zuhörer vorbei kommen und ihn töten" muss ich nicht wirklich haben.
Lahme Witze zum Ende, die bereits in der Inhaltsbeschreibung angekündigt werden, als käme Steve Martin persönlich für den Schlussgag vorbei, auch nicht.

Regelmäßig blättert man in Ausgaben alter von den Veteranen verbrochener Hefte. Das ist bisweilen amüsant, oft aber auch nur ein "äääh, hab ich das damals geschrieben oder war das Anatol? Oder Du, Boris? Ne, Jörg war damals noch zu jung, der kann es nicht gewesen sein" undsoweiter undsofort.

Das ist bis zu einem gewissen Punkt ganz schön enttäuschend, hat man doch die Herren damals als ungeheuer wortgewandt und spritzig empfunden. Damit wir uns nicht falsch verstehen - da ist viel Kompetenz versammelt, aber die Herren machen viel zuwenig daraus.
Es erinnert so ein bisschen an den Internationalen Frühschoppen (falls sich an den noch irgendwer erinnert): Durchaus kompetent, gelegentlich auch unterhaltsam, aber in der Regel sehr unspektakulär.

Das geht besser, viel besser.
Und wo das besser geht, soll bei der nächsten Podcastbesprechung das Thema sein.

Wer jetzt aber trotzdem neugierig geworden ist, kann hier einmal hereinschnuppern und sich die Podcasts anhören. geht aber auch via iTunes oder RSS-Feed.
Der aktuelle Podcast greift sogar die von Herrn Schmidt angestossene Debatte zum Thema Spielejournalismus auf - ob man die im Podcast geäußerten Meinungen teilen kann, mag jeder für sich selbst entscheiden.
Ich für meinen Teil sehe das zumindest anders, aber das kann man ja auch hier nachlesen.

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