I'll sail this ship alone - "Hanse - Die Expedition" (PC)


Früher war alles besser.
Die Musik war besser, die Filme waren besser, das Fernsehprogramm sowieso.
Und natürlich die Computerspiele.
Hach, die Spiele aus den Achtzigern und Neunzigern.
Was waren das doch für coole Spiele!
Echt? Waren sie das wirklich? Oder schauen wir bloß mit einem nostalgieverklärten Blick in die Vergangenheit und ignorieren dabei all die grässlichen Gurken, die uns damals auf Computer und Konsole heimgesucht haben?
Und verdrängen selbst die Macken bei den echten damaligen Topspielen, die man heute im Leben nicht mehr akzeptieren würde?
Schaun mer mal.


Frank war da. Frank ist mein ältester Freund und über viele Jahre Wegbegleiter in Sachen Computer- und Videospiele.
Und deswegen ein gutes (und williges) Opfer für den ersten Nostalgietrip.
Der führt uns zunächst einmal in das Jahr 1987 - da saß der damals noch jugendlich frische Herr Falcon vor einem Atari ST, der wahlweise an einem Farbmonitor oder einem Schwarz-Weiß-Monitor mit der sagenhaften Auflösung von 640*400 Bildpunkten und einer Diagonale von unglaublichen 12 Zoll betrieben werden konnte.
Auf dem Papier wenigstens, denn sichtbar waren davon bestenfalls zehn Zoll, der Rest war einem dicken schwarzen Trauerrand überlassen. Aber ich schweife ab.
Die meisten Spiele liefen damals nur auf dem Farbmonitor (mit entsprechend geringerer Auflösung), der monochrome Monitor war meist "ernsthaften" Anwendungen vorbehalten.

Aber es gab Hanse. Hanse ist eine frühe Wirtschaftssimulation, deren Ziel es ist, sich durch geschicktes Handeln (mit Wolle, Honig, Leinen, Pelzen und Tran) und Händeln (per Kampf Schiff gegen Schiff auf See oder per Angriff auf die Kontore anderer Mitspieler) vom einfachen Kaufmann bis zum Bürgermeister der Stadt Lübeck hochzuarbeiten.
Zu diesem Zweck konnte man rundenbasiert Schiffe bauen, die man dann zu den verschiedenen Handelsplätzen überwiegend im Ostseeraum schickte und an denen man dann klugerweise vorher Handelskontore eröffnet und Speicherhäuser gebaut hatte.
Am Ende jeder Runde gab es dann noch ein Ereignis, das von einem durchregneten Dach (und damit verdorbener Ware im Lager) bis hin zu einem Wettgewinn (und damit einem satten Zusatzeinkommen) reichte.
Dann war der nächste Spieler an der Reihe und wenn alle menschlichen Mitspieler ihre Aktionen abgeschlossen hatten, generierte das Spiel einen zufälligen Wetterstatus (von tobender bis zur stillen See) und berechnete auf dieser Grundlage, wie viele Waren die ausgesandten Schiffe nach Lübeck mitbrachten und in welchem Zustand sie nach ihrer Reise waren.
Runde um Runde baute man also Speicher, schickte Schiffe aus, verkaufte die griff in einem Minispiel ebenfalls rundenbasiert die Kontore oder Handelsflotten seiner Mitspieler an und versuchte, möglichst als Erster ein so erfolgreicher Kaufmann zu sein, dass man Bürgermeister der Stadt werden konnte.


Hanse auf dem Atari ST - gruselig, oder?

Wir haben uns mit diesem eher simpel klingenden Spielprinzip Nächte um die Ohren gehauen, uns gegenseitig beschimpft, wenn der eine dem anderen mal wieder die komplette Flotte versenkt hat und Spaß ohne Ende gehabt.

Aber wie schlägt es sich heute?
Der Atari steht immer noch im Keller, ist aber nicht angeschlossen und es fehlt außerdem an Platz für einen weiteren Computer und Monitor.
Glücklicherweise wurde Hanse aber neu aufgelegt - mit dem Untertitel "Die Expedition" gab es im Jahr eine 1994 eine Fassung für MS-Dos-PCs, die immerhin schon in 256 Farben und einer Auflösung von 320 mal 200 Bildpunkten daher kam. Diese Fassung, die ich mir damals natürlich umgehend zugelegt habe, ist der Gegenstand der heutigen Besprechung.



Damals noch eine Selbstverständlichkeit - Spiele im großen Karton und mit beiliegendem Handbuch

Erste Frage ist natürlich die:"Läuft das überhaupt bei mir?"
Auf der Verpackung wird ein 386-PC mit 3,5-Zoll-Diskettenlaufwerk, Festplatte, VGA-Karte mit 256 Farben und MS-Dos 3.0 als Minimalanforderung angegeben - Systemvoraussetzungen, die mein Rechner weitestgehend erfüllt.
Nachdem ich etwas Probleme mit dem Einlesen der immerhin fast 20 Jahre alten Disketten hatte (ein Diskettenlaufwerk hat mein Rechner nämlich nicht mehr, glücklicherweise hab ich aber ein USB-3,5"-Laufwerk in der Schublade), ließ sich das Programm zu meinem Erstaunen auch unter Windows XP problemlos installieren und starten.
Leider ohne Ton, aber wenn man im Hintergrund den Hamburger Shanty-Chor laufen lässt, schafft das auch eine ganz angenehme Atmosphäre.
Die Grafik sieht selbst auf einem nicht mehr ganz taufrischen 19-Zoll-Monitor reichlich grobpixelig aber immerhin schön bunt aus.
Hier spielt sich ein Großteil ab - Kontorverwaltung, Kauf von Kanonen und Lagerhäusern, Start von Expeditionen

Gesteuert wird komplett per Maus, was insbesondere dann sehr umständlich ist, wenn man festlegen will, wie viele Handelsware man verkaufen möchte - die Menge stellt man ein, in dem man mit dem Mauszeiger von links (wenig) nach rechts (viel) über den Bildschirm fährt. Punktlandungen sind dabei eher selten.
Auch Schiffe müssen repariert werden - je nach Witterung kommen sie mehr oder weniger beschädigt nach Lübeck zurück

Alle Spielelemente von früher (also von noch früher) sind vorhanden, zusätzlich gibt es noch eine Börse, an der man Anteile an seinem eigenen Unternehmen zu Geld machen oder die seiner Mitspieler kaufen und damit im späteren Spielverlauf satte Dividenden einstreichen kann.
Als kleine Besonderheit gibt es noch die Möglichkeit, erwachsene Kinder (ja, man heiratet im Spielverlauf, bekommt Kinder und kann sogar sterben) auf Expeditionen zu schicken und damit Handelsplätze zu erobern, an denen es meist deutlich lukrativere Waren als an den regulär anzufahrenden Kontoren gibt.
Manche Grafiken wirken auch heute noch recht atmosphärisch

Mit etwas kaufmännischem Geschick und einer gehörigen Portion Glück schafft man es dann irgendwann auf den Posten des Bürgermeisters - wenn man nicht vorher ruiniert oder gestorben ist.

Soviel zu den Fakten. Das Problem ist natürlich immer die Frage, ob man so etwas heute noch gerne spielt.
Wenn ich ehrlich bin, ist die Bedienung frickelig, der Wirtschaftsteil arg simpel ausgefallen, die Handlungsmöglichkeiten sind, vorsichtig ausgedrückt, doch ein wenig eingeschränkt und das Glück in Form von gutem (oder schlechtem Wetter) nimmt einen zu großen Einfluss auf das Spielgeschehen. Wer dreimal hintereinander tobende See und ruinierte Schiffe hatte, während seine Mitspieler ihre kaum beschädigten, dafür aber hoch beladenen Schiffe bei stiller See in den Heimathafen zurückbrachten, weiß, wovon ich rede.
Und trotzdem - es macht immer noch einen Heidenspaß.
Alleine eher ein wenig dröge ob der immer gleichen Abläufe punktet das Spiel dafür mit einem feinen Mehrspielermodus, bei dem richtig Stimmung aufkommt. Leider funktioniert der nur offline an einem PC (vier Spieler haben wir schon mal gleichzeitig zusammen bekommen, bis zu sechs sind möglich); gemeinsames Spielen übers Internet war damals noch zu exotisch.
Der Vorteil der Spielmechanik ist der, dass auch eher ungeübte Spieler sich schnell zurecht finden und die notwendigen Schritte binnen kurzem verinnerlicht haben. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Vorteil ist natürlich der, dass man das Spiel auch noch mit einer ordentlichen Portion Whisky, Bier oder, ganz stilecht, Grog intus hervorragend spielen kann.
So wenig große Anforderungen an die Hardware des PCs gestellt werden, so wenig werden diese Anforderungen an die Hardware des Spielers gestellt. Die Komplexität liegt nur minimal über der von "Spider Solitaire", aber auch das fesselt ja, wie man weiß, regelmäßig Millionen von PC-Nutzern an die Monitore.

Kurz: Trotz aller Unzulänglichkeiten bei Grafik, Bedienung und Spielmechanik ist "Hanse - Die Expedition" immer noch für ein Spielchen in geselliger Runde gut - klare Kaufempfehlung!

"Hanse - Die Expedition" ist immer noch bei Amazon gebraucht und neu erhältlich (daher stammen auch einige der Bilder) - seit 1998 gibt es das Spiel auch auf CD-Rom.


Kommentare

  1. Ich glaube, das wäre was für meinen Bruder. Hat er doch Ähnliches (ich glaube "Kaiser" war es, hieß das so?) stunden- und nächtelang spielen können.

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  2. Hanse schlägt so ziemlich in die gleiche Kerbe, ist aber wohl etwas weniger komplex.
    Macht aber trotzdem Spaß und die zehn Euro, die man bei Big A dafür hinlegen muss, sind ja auch kein Vermögen.

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  3. Und auf dem PC noch spielbar, was man von seinem "Kaiser" nicht behaupten kann...

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