Riding the Monster

In jedem Videospiel-Genre gibt es Legenden.
Seltsamerweise sind die meisten Legenden mit dem Ruf behaftet, knochenhart zu sein.
Simulationsfans erinnern sich sicher noch an F16-Fighting Falcon. Den ich, zu meiner Schande, weder gescheit starten oder landen konnte. Oder wie ist es mit, um mal einen neueren Vertreter zu nennen, Demons Souls. Das härteste, aber auch motivierendste Actionadventure das ich je gespielt habe. Verdienter Weise eine Legende.
Natürlich hat da jeder so seine eigenen Legenden, und ich Wette dem Herrn Falcon klingeln bereits die Ohren.
Aber online Rollenspiele? Gibt's da eigentlich was wirklich hartes, wenn man nicht gerade in elitären Gilden raidet?
Ja, das gibt's, und es heißt EVE online.

Jeder hat davon gehört (meist, dass es so zugänglich ist, wie ein in Keilschrift verfasster Tolstoi Roman, und die Community sehr überheblich sei) aber keiner hat es dann doch mal selbst versucht.
Ich schon, ich habe das Monster gesattelt...


...und erstmal hat es mich abgeworfen. Die Sau!
Das ist nun ein knappes halbes Jahr her, und ich habe es nun ein zweites mal gewagt. Bewaffnet mit einer 14 Tages Trial Version und dem Lernwillen eines 12 jährigen Science Fiction Nerds mit ADHS.

Was als erstes Auffällt ist die Musik. Sanfte Spährenhafte Töne begleiten den Ladebildschirm, der (jedenfalls bei mir) in Rot-, Gold, und Brauntönen ein All zeigte, das von einigen Raumschifftriebwerken durchpflügt wird.
DAS war ja schonmal ein Pluspunkt... niemand macht mir Stress. Sehr schön.
Dann wird man vor die Wahl gestellt, welches Volk man denn spielen mag. Was reine Geschmackssache ist und daher gehe ich da nicht groß drauf ein. Aaaaaaber dann kommt die Charakter Generierung...und mir blieb der Mund offen.

Ja, da hab ich erstmal gestaunt. Also hab ich mir meinen Pilotenhoshi zusammengeklickt und wollte Hals über Kopf ins All starten (so wie das letzte mal, was so toll schiefging). Doch dieses mal bewies ich ein klein wenig mehr Disziplin und siehe da....da gibt's ja ein Tutorial....und es ist auch bitter nötig.

Wer das Tutorial nicht macht (es tut nicht weh und man ist bereits im Spiel) der kommt keinesfalls zurecht. Niemals nicht nie sollst du das Tutorial ignorieren. Man klickt viel...liest viel...es ist nicht langweilig.

Nach guten 10 Minuten sitzt man dann in seinem ersten Raumschiff....yay!

Kurzer Exkurs zu EVE:

EVE startete 2003, jawoll, das Ding ist weitaus älter als WOW. Damals sah es aber noch nicht so gut aus wie heute. 

Die Firma hinter EVE, CCP, hat viel Geduld, Arbeit und Geld in IHR Spiel gesteckt, was sich heute auszahlt. Denn früher war das Raumschiff der Avatar, die Entsprechung des Spielers in der virtuellen Welt. An beinahe Fotorealistische Piloten hat damals niemand gedacht. 

Nun ist es so, dass EVE wächst. Mittlerweile sind es über 60000 Planeten in beinahe 8000 Sonnensystemen... auf denen man nicht (noch nicht...da komme ich noch zu) landen kann. Auch hat man bei CCP einen Weltrekord aufgestellt, denn EVE ist das erste und einzige Spiel, das 63000 Spieler auf einem einem Server gleichzeitig hatte (im Normalfall sind das jeden tag so um die 40000, aber das Wochenende ruft die Sonntagszocker auf den Plan).

Alles auf einem Server(cluster)? Ja, das heißt im Klartext, dass man mit den ganzen Amis, Franzosen, Russen, Spaniern und wo sie alle herkommen, in einer Welt spielt, kämpft, handelt und quatscht. Die Sprache ist meist Englisch. 

EVE ist eine Sandbox, das heißt nicht, dass es keine Quests gibt, derer gibt es viele. Aber der Weg des Spielers ist nicht vorgegeben. Wer keine Lust auf Kampf hat (auf viele NPCs und auch viele Spieler ist ein Kopfgeld ausgesetzt, weil diese sich etwas zu schulden haben kommen lassen, oder man lässt sich als Söldner anheuern), oder geht in den Asteroiden Bergbau (was sehr lukrativ ist, denn ALLE Schiffe in EVE werden von Spielern gebaut, und das braucht Rohstoffe), wenn das zu langweilig ist, kann man einen Kurierdienst aufziehen und Fracht von A nach B transporiteren, wenn das auch zu öde wird, sucht man sich eine große Station und kauft auf dem galaktischen Markt Waren billig ein und verkauft sie teuer. Diese und noch mehr Möglichkeiten hat man und bekommt sie im Tutorial auch alle aufgezeigt.

Das Skillsystem ist auch eine Besonderheit von EVE, denn es verlangt nicht, dass man online ist und aktiv Zeit verbringt.

Man setzt die momentan wichtigsten Skills und Fertigkeiten in eine 24 Std. Warteschlange. Meist startet man mit simplen Geschichten wie "Amarr Fregatte steuern" das dauert dann 8 Minuten und der Skill ist gelernt.

Nach und nach packt man sich die Warteschlange voll und die Skills dauern länger zu erlernen. Mining Level 3 dauert z.B. knappe 4 Tage. Aber man muss ja nicht rumsitzen und warten bis die Zeit um ist. Man kann sich anderen Dingen widmen.

Da wäre nämlich die Möglichkeit einer Corporation beizutreten, einer Art Gilde. Diese Gilden haben, so sie mächtig genug sind, genug ISK haben (das ist die Währung in EVE...und in Island auch, da sind auch die CCP Studios) und Fähige Piloten und Ingenieure, die Möglichkeit Teile des Raumes für sich zu erobern, diese gegen andere Corporations zu verteidigen und dort sogar eigene Stationen zu bauen. 

Dort steht es ihnen völlig frei wie sie mit Eindringlingen umgehen. Sind sie eine offene Handelscorporation?...dann lassen sie gerne jeden Händler landen. Sind sie paranoide Warlords?...dann greifen sie alles an, was blinkt und versuchen auf Teufel komm raus zu expandieren.

Klingt kompliziert?...ist es auch, aber auf befriedigende Weise lohnenswert.

Das findet auch CCP und erweitern, wie gesagt ständig ihr Universum. Dabei gab es dann irgendwann diesen oben erwähnten, neuen Charakter Creator. Dieser war zuerst nur dazu da, am Ende ein Foto das Charakters zu machen, ein Bild welches die anderen Spieler sehen. Dann kamen gegen Ende 2011 die Kapitänskajüten dazu. 

Pro Volk eine, also vier unterschiedliche. In diesen kann man herumlaufen und die Nachrichten auf einem Wanddisplay anschauen. (Die Nachrichten sind mehr oder weniger echt. Neben ein wenig Flavourtext, wird auch immer erwähnt, wer die einflussreichste Corporation ist usw.). Nun ist seit eine paar Patches eine neue Tür hinzugekommen. Diese Tür führt irgendwann auf die Station. CCP sagt noch nichts dazu, aber es wird so kommen, dass man früher oder später über die Stationen laufen kann. Ein wenig greifbarer ist das CCP Projekt:  Dust 514...ein Multiplayer Egoshooter, welcher nahtlos ins EVE Universum integriert und sehr wahrscheinlich exklusiv auf PS3 veröffentlich wird. 

Das besondere an Dust ist, dass die Spieler sich von verschiedenen Corporations anheuern lassen können um Planeten zu erobern. Auch das ist noch nix neues, aber diese Corporations sind eben jene Spielergilden, die ich weiter oben erwähnt habe. Je nach Bedarf und Geld kann also auch der EVE Spieler von seinem Logenplatz im Raumschiff auf den Planeten herunterschauen und auf Anfrage von den Spielern an der PS3, die für seine Sache kämpfen, Luftschläge oder Munition abwerfen. Sowas gab es bisher noch nicht. Drücken wir mal die Daumen, dass es so gut funktioniert, wie es klingt.

Exkurs Ende.

 Weiter im Text...

Als ich zum ersten mal den Station verlassen Button drückte, war ich noch ein wenig überraschter.

Es ist wunderschön. Seltsamerweise brauch EVE nicht wirklich große PC Power. War zum großen Teil daran liegt, dass die Engine keine großen Landschaften darstellen muss, sondern sich auf detailierte Raumschiffe und Stationen beschränken kann.

Mittlerweile bin ich bereits den 5. Tag in EVE unterwegs, sehe und lerne jeden Tag Neues und muss sagen, dass die Steuerung entschärft wurde. Es gibt einen eigenen Hilfechannel im Chat, in dem man auch bei den blödesten Fragen (ich hab's ausprobiert) nicht als Kacknoob bezeichnet wird.

Klar, es ist kompliziert, weitaus komplizierter als jedes Wald und Wiesen MMO, aber es ist zugänglich für interessierte.

Ausserdem kann ich es jedem ans Herz legen der damals auf dem C64, Atari ST, oder Amiga ELITE von David Braben und Ian Bell spielte. 

So sehr ich ein Feind von allem überkomplexen bin, so sehr hat mich EVE in seinen ganz eigenen Bann gezogen.
Seltsam, aber so schaut's nunmal aus, Herrschaften.