Multiple Orgasmen - Panzer Dragoon (Sega Saturn)

Früher war alles besser.
Die Musik war besser, die Filme waren besser, das Fernsehprogramm sowieso.
Und natürlich die Computerspiele.
Hach, die Spiele aus den Achtzigern und Neunzigern.
Was waren das doch für coole Spiele!
Echt? Waren sie das wirklich? Oder schauen wir bloß mit einem nostalgieverklärten Blick in die Vergangenheit und ignorieren dabei all die grässlichen Gurken, die uns damals auf Computer und Konsole heimgesucht haben?
Und verdrängen selbst die Macken bei den echten damaligen Topspielen, die man heute im Leben nicht mehr akzeptieren würde?
Schaun mer mal.

Wir schreiben den September im Jahre des Herrn 1995. Unser damals gerade so noch jugendlicher Held, nennen wir ihn Herrn F., hat eine Menge Haare, dafür aber wenig Gewicht
heute ist es eher umgekehrt). Unser Protagonist hat gerade seine Ausbildung erfolgreich beendet und beabsichtigt, in drei Tagen gemeinsam mit Freunden eine Reise ins schöne Wien anzutreten. Dass eine der mitreisenden Damen kaum drei Jahre später seine ihm angetraute Ehefrau sein wird, ahnt der Held dieser Geschichte noch nicht, das tut aber für die weitere Handlung hier auch nichts zur Sache.

Und, was hier allerdings etwas zur Sache tut: Der junge Mann hat die Taschen voller Geld. Sein erstes reguläres Gehalt wurde ihm ausgezahlt und in seiner jugendlichen Freude über den Haufen Geld strolcht er durch die große Stadt und sucht nach einer adäquaten Möglichkeit, es wieder loszuwerden.
Und wie der Zufall es will, findet er sie auch recht bald: Der - damals noch - Konsolenhersteller Sega hat seine neue große Konsole auf den deutschen Markt geworfen, nämlich den Sega Saturn.
Der war eine CD-basierte Konsole mit diversen Prozessoren an Bord, seinerzeit fantastischen Grafik- und Soundfähigkeiten und kostete zur Markteinführung schlappe 800 DM. Ohne Spiel und sonstiges Zubehör, versteht sich.
Und während unser Held vor Begeisterung kurz vor der Hyperventilation stand, kramte er sein Scheckbuch aus der Tasche und schrieb, halb besinnungslos vor Freude, dem breit grinsenden Verkäufer für die Konsole, ein zweites Joypad und drei Spiele einen Scheck über 1.150 DM aus (für unsere österreichischen Freunde: das waren gut 8000 Schilling - oder, für die junge Generation, ziemlich genau 587,98 Euro). Also gute 65 Prozent seines - heißt, meines ersten Lohnes.
Für eine Spielekonsole. Mag sein, dass man mir in diesem Zusammenhang durchaus eine gewisse Verrücktheit attestieren kann, aber - so what?
Die drei Spiele waren Daytona USA, ein Autorennen, BUG, ein Jump-'n-Run, und Panzer Dragoon, ein - tja, wie soll man Panzer Dragoon beschreiben? Rein objektiv betrachtet ist es ein recht linearer Shooter, den man auf dem Rücken eines Drachen absolviert.


So sieht es aus - am Beispiel der versunkenen Stadt in Level - gleich geht es ins Innere der Gebäude. Schön zu erkennen rechts oben das Gegnerradar, unten links die Lebensernergie und in der Mitte der Drachenreiter. Das Bunte vorne ist ein Gegner, der sich gleich wie eine Blüte schließt.

Man fliegt wie auf Schienen einen vorgegebenen Pfad entlang, kann den Gegnern und ihren Schüssen durch Bewegung nach oben, unten und zu den Seiten hin ausweichen und außerdem auf Knopfdruck den Blick in 90 Grad-Schritten nach links, rechts oder nach hinten wenden, um von dort auftauchende Gegner ins Visier zu nehmen.
Die Gegner können einzeln beschossen werden oder mit bis zu acht Zielpunkten anvisiert und dann mit acht zielsuchenden Schüssen gleichzeitig beharkt werden.
(Wer sich noch erinnert - REZ auf Dreamcast und PS2 hat ganz ähnlich funktioniert)
Am Ende jedes Levels wartet ein ziemlich großer Endboss, den es durch gezielten Beschuss seiner Schwachstellen ins Jenseits zu befördern gilt.
Klingt ziemlich nullachtfuffzehn, oder?
Für mich war es damals eine Offenbarung und damit schlagen wir auch den Bogen zum zugegebenermaßen etwas seltsam anmutenden Titel des Posts.
Nie wieder hat mich ein Spiel so vom Hocker gerissen wie damals Panzer Dragoon. Die Kombination aus bombastischen Soundtrack, (für die damalige Zeit) brillianten gerenderten Introsequenzen


Hier einmal ein paar Auszüge aus dem grandiosen siebenminütigen Intro

und einer fantastischen Ingame-3D-Grafik, die von der vor Kurzem verstorbenen Comiclegende Moebius (Leutnant Blueberry, Herrscher der Zeit, Tron) inspiriert (und von diesem teilweise auch unterstützt) wurde, war für mich schlicht sensationell.

Klar gab es vorher schon 3D in Spielen, natürlich war auch schon der eine oder andere Soundtrack gut, aber wenn überhaupt, passierte das auf dem PC und auch da nur selten.
Konsolen boten zu dieser Zeit in der Regel platte Grafik (die wenigen 3D-Experimente waren eher grobschlächtig), elektronische Soundtracks und waren doch irgendwie ausgereizt.
Und dann kam dieses Spiel.
Die Älteren unter den Lesern mögen sich an den Moment erinnern, an dem das Fernsehprogramm von schwarz-weiß zur Farbe wechselte, für die Jüngeren fällt mir tatsächlich kein passendes Beispiel ein.
Das war die Wirkung auf mich.
Das erste Mal "Krieg der Sterne" auf einer Kinoleinwand sehen, der Moment, in dem Du merkst, dass das Instrument, dass Du zu spielen versuchst, nicht einfach nur eine wirre Ansammlung von Tönen produziert, sondern Deinem Willen folgt, das erste Mal Panzer Dragoon spielen.
Alles dieselbe Liga.
Aus heutiger Sicht ist das Spiel natürlich spielerisch beschränkt, die Grafik ist grobschlächtig und der Sound nichts mehr, was einen in Zeiten von Dolby 7.1 noch vom Hocker reißt.




Panzer Dragoon in Bewegung - Auszüge aus dem ersten Level

Für mich wird das aber immer das Spiel sein, das mir die Tür in die Zukunft aufgestoßen hat und mir gezeigt hat, warum ich verrückt nach diesen kleinen Plastikkästchen mit all ihren Kabeln und Platinen darin, den bunten Knöpfen auf den lustigen Steuerelementen und diesen seltsamen Wesen, die die Geräte auf Bildschirm und Leinwand zaubern, bin und wohl auch noch lange Zeit sein werde.

"Panzer Dragoon" gibt es für Sega Saturn, PC und in der "Sega Ages"-Serie auch für PS2, Nachfolger und Spin offs erschienen für Saturn, Game Gear und XBox.

Kommentare

  1. Wieder ein Klassiker den ich verpasst hab.... Feck!

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  2. Das ist mein persönliches "Shadow of the Colossus".
    Ich schau mal, ob der Nachfolger für die XBox auch auf der 360 läuft.
    Aber ich glaub auch, dass das so ein Spiel ist, bei dem der erste Kontakt (im entsprechenden Umfeld) die Gesamtwirkung ausmacht.
    Ob PD Orta noch so wirkt, glaube ich nicht - leider.

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