Lauf, wenn Du kannst - The walking Dead
Lee wird chauffiert. Nicht, dass er jetzt ein besonders
wohlhabender Mensch wäre, vielmehr erfolgt die Tour eher gegen seinen Willen –
der Chauffeur ist Polizeibeamter und Lee sitzt im Fond des Polizeiwagens. In
Handschellen.
Warum das so ist, wird dem Spieler (noch) nicht mitgeteilt, klar
ist nur, dass Lee irgendetwas verbrochen hat und deswegen ins Gefängnis
gebracht werden soll. Während der Fahrt über den Highway kommt ihnen in der
Gegenrichtung ein Haufen Fahrzeuge mit Sirenengeheul entgegen, aber dummerweise
stellt der Polizist den Funk ab, und schon wieder weiß der Spieler nicht, was
Sache ist. Bis plötzlich der Polizist, abgelenkt vom Gespräch mit Lee und vom
Herumgeschraube am Radio den scheinbar lebensmüden Passanten übersieht, der auf
den Highway getorkelt kommt, das Steuer des Wagens verreißt und den Wagen mit
Schwung die Böschung hinunter und gegen einen Baum steuert.
Nachdem Lee, dessen Bein bei dem Unfall verletzt wurde, wieder
aus seiner kurzen Ohnmacht erwacht ist, sieht er den Polizisten nicht weit entfernt
vom Auto liegen – offenbar tot. Irgendetwas muss ihn aus dem Auto gezerrt und
erst dann getötet haben.
Trotz Comicoptik spart das Spiel nicht mit expliziten Gewaltdarstellungen - Kinder sollten besser die Finger davon lassen.
Als Lee, der nach ein wenig Herumprobieren dem Auto
entkommen ist, zum Polizisten kriecht und diesem die Schlüssel zu seinen
Handschellen abnehmen will, wird der Polizist plötzlich wieder lebendig. Lee
kann ihm in höchster Not entkommen, doch durch den Lärm, den er dabei
verursacht, werden andere auf ihn aufmerksam – Wesen, die anscheinend schon
lange tot sein müssten, die aber trotzdem leben. Wesen, die ihn langsam
umzingeln.
Gibt es einen Ausweg für ihn?
Willkommen
bei „The walking Dead“!
Basierend auf der genialen Comicserie hat Telltale ein
Adventure geschrieben, das die Atmosphäre von Robert Kirkmans mittlerweile
14-bändigen Saga kongenial einfängt, ohne dabei den Kennern der Bücher die
Spannung zu verderben – die Handlung des Adventures spielt parallel zu den
Comics, man trifft auch auf einige bekannte Charaktere, aber das Spiel kann
auch der genießen, der die Comics (oder die hervorragende Realverfilmung) nicht
kennt.
Wie von Telltale (u.a. „Tales of Monkey Island“ und
„Jurassic Park“) bekannt, wird das Abenteuer in Episoden abgeliefert, die erste
ist soeben erschienen, vier weitere werden noch folgen. Prinzipiell haben die
Designer ein Point-`n-Click-Adventure auf die Beine gestellt, wer aber Unmengen
an Interaktion mit Massen von Gegenständen und der Welt um sich herum erwartet,
wird wohl enttäuscht werden. Nur wenige Gegenstände gibt es aufzusammeln, nur
wenige Rätsel zu lösen.
Soziale Interaktion ist enorm wichtig
Der Schwerpunkt liegt eher auf der Interaktion mit den
anderen Charakteren des Spiels. Wie Lee haben sie alle eine Geschichte und eine
Motivation, die sie vorantreibt. Nicht jeder ist freundlich, es sind auch ein
paar veritable Arschlöcher dabei. Lee’s Antworten und sein Verhalten
beeinflussen dabei, wie sich die anderen ihm gegenüber und dem Rest der Gruppe
verhalten. Und da unterschiedliche Antworten auch unterschiedliche Reaktionen
hervorrufen, gibt es durchaus einen Anreiz, die Geschichte ein weiteres Mal
anzugehen, denn nach gut zwei Stunden ist man mit Kapitel eins schon durch.
Wie sieht es aus, wie hört es sich an?
Die Grafik ist sehr am Stil des ersten Comicbandes angelehnt
– die Charaktere wirken etwas kantig, die Texturen sind comicmäßig schlicht
gehalten.
Konzeptzeichnungen von Lee und seinem Schützling Clementine. Die Kleine war ein paar Tage ganz auf sich allein gestellt, die Eltern verschwunden und der Babysitter hatte sie zum Fressen gern
Die Animationen sind meistens flüssig, nur an wenigen Stellen hat man
das Gefühl, Lee würde über eine Eisfläche gleiten, statt zu gehen.
Soundeffekte werden sparsam eingesetzt, sind dafür aber umso
intensiver. Das Stöhnen der Zombies, das Summen von Fliegen, die in der
Mittagshitze um verwesendes Fleisch schwirren schaffen eine beklemmende
Atmosphäre und vor allem die Sprecher der einzelnen Charaktere sind gut ausgewählt – leider im Moment nur auf
Englisch, immerhin mit zuschaltbaren (englischen) Untertiteln. Wer Probleme mit
der Sprache hat, könnte gelegentlich auch Probleme mit dem Spiel bekommen, da
manche der Multiple-Choice-Antworten in den Dialogen unter Zeitdruck ausgewählt werden müssen.
Schafft man das nicht, etwa, weil man noch mit der Übersetzung kämpft, wird als
automatische Antwort die Option „Schweigen“ ausgewählt – in der
postapokalyptischen Zombiewelt aber durchaus auch eine akzeptable Variante.
Fazit
Das Spiel ist sehr linear, eher ein Roman zum Mitspielen,
als ein wirkliches Adventure. Dafür schafft es eine beklemmende Atmosphäre, wie
ich sie schon lange nicht mehr bei Gruselspielen erlebt habe – „The walking
Dead“ löst die vollmundigen Horrorversprechen anderer Titel ein und überzeugt
auf der ganzen Linie.
Kurz: Wer immer schon wissen wollte, wie er sich in der
Zombiekalypse durchschlagen würde, ob er überlebt oder bestenfalls als Futter
für die Untoten taugt, wer zwei Stunden exzellente und gruselige Unterhaltung
mit der Aussicht auf vier weitere, hoffentlich ähnlich gute Episoden sucht,
schlägt hier unbedingt zu.
„The walking Dead“ erscheint als Download in fünf Episoden für PC, Xbox360, PS3 und
IPhone/IPad, der Preis liegt bei rund 5 Euro pro Episode oder ca. 23 Euro für
das Komplettpaket als Download via Steam oder gleich auf der Website von Telltale (http://www.telltalegames.com/).
Großes Kino, mein Herr Falcon!
AntwortenLöschenIch kämpfe noch immer mit mir, ob ich nicht doch auch zuschlagen sollte.
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