Voll zwischen die Ohren - Sniper Elite V2

Berlin Kriegsende 1945 - Ich presse mich in einem ehemaligen Wohnzimmer an eine kalte Backsteinwand. Wo vor ein paar Monaten noch hübsche Tapeten und Bilder hingen, schmücken Einschusslöcher die verbliebenen Mauern. Es riecht nach Rauch und Tod.
Ich atme schwer und werfe ein Blick auf das Magazin meines Thompson Maschinengewehrs.
25 Schuss...damit komme ich nicht weit, denn ich höre bereits die schweren Schritte der Wehrmachtsoldaten.
Sie wissen wo ich bin und poltern die verfallene Treppe hinauf. Gleich werden sie hier sein und mir die Unterlagen entreißen, die ich aus ihrem Hauptquartier (ein paar hundert Meter weiter die zerbombte Straße hinauf), habe mitgehen lassen. Natürlich werden sie mich erst erschießen.
Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, und es ist nur noch eine Frage von Sekunden, bis sie mit 5 oder 6 Mann diesen Raum stürmen und mich hier zusammengekauert vorfinden.
Es sei denn... *Ein Schuss hallt durch das Gebäude*....* noch einer, und ein dritter*... dann kurze Stille.
Plötzlich höre ich panische Schreie, manche schmerzverzerrt, anderen ist die pure Angst anzuhören, aber nur ein Wort ist deutlich erkennbar:  "SCHARFSCHÜTZEEEEEE!!!" hallt es von den kahlen Mauern wider.
Es klingt wie Musik in meinen Ohren, bedeutet es doch, dass mein Partner (in gut 200 Meter Entfernung versteckt auf einem Dach) gemerkt hat in welchen Schwierigkeiten ich stecke.
Neuer Mut durchzuckt mich und ich sprinte ins Treppenhaus, ignoriere die uniformierten Leichen und hoffe, dass mein Schutzengel auch weiterhin über mich wacht.

So geschehen gestern, am späten Abend, in einem der vier Koop Modi von Sniper Elite V2.
Aber zu den Koop Spielweisen später mehr.

Ja, Sniper Elite V2 spielt im zerbombten Berlin von 1945, Deutschland bäumt sich noch einmal auf (hier Gott sei Dank nicht mit Kindersoldaten) und schickt seine Wunderwaffe, die V2 Rakete los.
Man selbst spielt einen US Army Sniper, der nach Berlin geschickt wird um 4 Wissenschaftler zu eliminieren, die ihre Geheimnisse an die Russen verkaufen wollen. So, die knappe, aber gut erzählte Story.

Nach einem gut gemachten Tutorial, das erfrischend unaufgeregt daherkommt, geht's ohne Zwischenstopp weiter ans Eingemachte.
In der Third Person Perspektive manövriert man durch die Trümmer der Hauptstadt, und erklimmt auch so manches Dach oder Fenstersims auf der Suche nach einer guten Schussposition.


An einem erhöhten Punkt angekommen packt man erstmal sein Fernglas aus und erkundet die Umgebung.
Die Sichtweite ist absolut erstaunlich und die Grafik detailreich. Man merkt dem Spiel deutlich an, dass sich die Designer vom alles beherrschenden Grau der Weltkriegsspiele abheben wollten. Und sei es nur durch den Kontrast der zerbombten Stadt, zu einem strahlenden Sonnenaufgang.

Hier wird nicht der Krieg simuliert, sondern nur die Ballistik der Kugeln, das Spiel bleibt erfrischenderweise Spiel und verliert sich nicht in düsterem Realitätsgeheische.
Hier bitte ich darum, mich nicht falsch zu verstehen: Sniper Elite V2 ist ein Storybasierter Schleich-Shooter, der sich ernst nimmt, aber eben nicht so ernst, dass der Spieler ein schlechtes Gewissen bei jedem Abschuss hat.

Thema Abschuss...
DAS Feature, mit dem Rebllion für ihr Spiel die Werbetrommel rührt , ist die "X-Ray Kill Cam"
Die macht Folgendes:  Setzt der Sniper zum Schuss an und ziehlt gut, oder hat einfach nur Glück, dann trifft er Kopf, Herz, Lunge, Leber, Niere, usw...und der Gegner geht ohne Umschweife in die ewigen Jagdgründe ein.

In jedem anderen Spiel fallen die Gegner nur um, nicht so in Sniper Elite V2. Die Kugel verlässt in Zeitlupe den Lauf und die Kamera verfolgt sie...wer Matrix gesehen, oder Max Payne gespielt hat, weiß Bescheid... sobald das Projektil aber einschlägt, gewährt uns die Kamera einen Blick IN den Körper des Unglücklichen und verfolgt dort den Verlauf der Kugel weiter, bis zu deren Austritt.
Mit diesem Austritt muss aber, für die bereits sichtbar lädierte Kugel, noch nicht das Ende ihrer Reise gekommen sein. Ist der Schütze geschickt genug, war noch ein Soldat in der Flugbahn und auch er macht Bekanntschaft mit dem Geschoss.
Hier ein paar Beispiele (wie gesagt, es ist überaus heftig):


Klingt fürchterlich Brutal... ist es auch, aber es ist eine Art Belohnung, wie es sie bisher noch nicht gab.
Diverse Level habe ich mehrmals neu gestartet, weil ich wusste, dass ich es noch ein wenig besser kann.
Denn jeder Schuss gibt Punkte, die auf einer globalen Highscoreliste angezeigt werden.
Ein Treffer aus nächster Nähe bringt z.B. 150 Punkte. Wobei ein Kopftreffer bei einem bewegten Ziel in 300 Meter entfernung mehr als 2000 Punkte bringt.

Ein Spiel im Spiel sozusagen.
Das Ding ist allerdings ab 18 und das hat auch seine Richtigkeit.
Völlig unsinnig ist mal wieder die Regelung in Deutschland. Hier gibt es offiziell keine Konsolenversionen und die PC Versionen werden alle über Steam aktiviert und sind somit geschnitten (Die X-Ray Kill Cam fehlt).
Daher muss der Konsolero importieren (Amazon.de hilft hier gern weiter) und der PC Zocker halt mal ein wenig googeln.

Es stehen drei Schwierigkeitsgrade zur Verfügung:
Leicht:  Die Kugel trifft im großen und ganzen da, wo man das Zielkreuz hinhält.
Mittel:   Gravitation fordert ihren Tribut und bei weiten Schüssen sinkt die Kugel merklich ab.
Schwer: Zur Gravitation kommt noch der Wind (und eine Windanzeige) hinzu.

Es gibt noch die Möglichkeit die Luft für ein paar Sekunden anzuhalten, dies bringt zum einen eine weitere Zoomstufe und zum anderen einen roten Punkt, der anzeigt wo die Kugel WIRKLICH landet.

Dazu gibt es die oben erwähnten 4 Multiplayer Modi.
Als da wäre der bereits in der Einleitung genannte Modus mit dem Namen:
Overwatch:  Ein Spieler ist der Sniper, der andere der Spotter. Der Sniper sitzt verschanzt hinter einem Fenster/auf einem Dach/auf einem Balkon, während sein Kollege auf einem großen Platz mit angrenzenden Häusern, diverse Aufgaben erfüllen muss. Alles im Schutze des (hoffentlich) aufmerksamen Snipers.




Kill Tally:
Dies ist der Hordemodus für 2 Spieler (den für Singleplayer gibt's auch). Auf verschiedenen Karten stellen sich 2 Sniper immer schwerer werdenden Gegnerwellen. Hier, wie auch in allen andere Modi, kommen alle Waffen der Einzelspieler Kampagne zum Einsatz (auch die genialen Stolperfallen, mit denen sich Durchgänge und Türen sichern lassen).


Bombing Run:  Unter Zeitdruck, weil dann eine Bombardierung beginnt, müssen die Spieler Ersatzteile für ein Fluchtfahrzeug zusammensuchen. Meist sucht einer, während ihm der andere Deckung gibt, denn es sind feindliche Scharfschützen auf den Dächern.

Campaign:  Das machen zu wenige Spiele... Die gesamte Einzelspieler Kampagne im Koop. Sauber sag ich.

Meine Spielerfahrung war komplett bugfrei.
Es ist mir ein wenig unverständlich, warum die Fachpresse dieses Spiel so übel abwatscht.
Die einen meinen, das Setting sei verbraucht. -  Ist es eigentlich nicht, es geht in diesem dezent verbrauchten Setting sogar neue Wege.
Die anderen sagen, es sei wegen der Kill Cam ein "One Trick Pony"  -  Das mag sein, aber der Trick ist klasse, und um ehrlich zu sein: Dann ist Portal auch ein "One Trick Pony".

Herrschaften, ihr seht: Sniper Elite V2 hat einen warmen Platz in meinem Shooterherz ergattert.
Das liegt unter anderem auch daran, dass es dem Spieler Zeit gibt. Niemand wird unter kernigen "GOGOGO!!!" Rufen eines Sergeants durch links und rechts explodierende Level gescheucht.
Sniper Elite V2 ist sozusagen das Gegenteil eines Michael Bay Shooters.
Der Spieler weiß immer wo er hin muss und was das Ziel ist. Der Weg wird mir als Spieler mehr oder weniger selbst überlassen.


Gehe ich langsam vor und warte auf den geeigneten Moment zum vorbeischleichen?
Erdrossele ich eine Wache, und kämpfe mich lautlos mit der Schallgedämpften Pistole durch die Häuser?
Oder suche ich mir eine gute Position und schalte einen Gegner nach dem anderen per Scharfschützengewehr aus?
Es ist meist die Mischung, die all das so spannend macht.

Herrschaften, wenn ihr in einem Shooter (Call of Duty, Team Fortress, etc.) gern mit dem Scharfschützengewehr hantiert, dann ist Sniper Elite V2 euer Spiel.
So schaut's aus!

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