I'll see you in the skies, one last time

Herrschaften, im Jahre des Herrn 2005 fing ich an World of Warcraft zu spielen. Nichts, was davor kam, konnte mich auf den Sog dieses Mollochs vorbereiten...und ich liebte es.
Ich liebte es fast genau ein Jahr lang, dann setzte das große "Hier gibt's ja gar nix mehr zu tun!"-Gefühl ein.
Ich nahm (zum ersten mal, es sollten weitere folgen) meinen Hut in World of Warcraft.

Aber das Genre hatte mich gepackt. 
In einer mehr oder minder atmenden Welt herumzuziehen, noch dazu mit anderen Spielern... das war, für mich als Spieler, das absolut Größte.

Kurze Unterbrechung....


Und hier eine warmherzige Warnung:  Ich habe das Gefühl dieses Posting könnte etwas länger werden. Nun, ihr seid gewarnt... aber ich freue mich, wenn ihr noch ein Weilchen bei mir bleibt.

Und weiter geht's...


So stieß ich 2006 auf "City of Heroes", das so ziemlich alle Preise abgeräumt hat, die man als MMO so gewinnen kann.

Es war das komplette Gegenprogramm zu WoW. Keine Elfen, Orks und Tauren. Es waren Superhelden die, in ihren bunten Kostümen, in einer riesigen Metropole nach dem Rechten sahen. Der Charakter Editor ist bis heute das Non plus ultra, wenn man sich einen individuellen Helden gestalten möchte. Und hier startet eine etwas persönlichere Geschichte, denn NC Soft schaltet am 30. November die Server für City of Heroes ab. Das Ende einer Welt. Begleitet mich auf einen Streifzug durch City of Heroes, denn dieses Spiel war und ist etwas ganz besonderes (für mich und viele andere).
 
Jeder dem ich es damals (2006 wohlgemerkt) zeigte, rief einen der folgenden Sätze aus: "Ach...das kann man hier auch machen?" , "Himmel ist das riesig!" , "Und ich kann wirklich aussehen wie ich will?" , "Wirklich? Ich darf fliegen?" (...und fliegen konnte man hier Jahre bevor es in WoW als Neuheit verkauft wurde)

Es dauerte nicht lange und wir waren zu dritt. Mein alter Freund Mark (ein Nahkämpfer mit Katana namens Munenori), seine damalige Freundin ...heute Ehefrau... Nicole (Emma Heal, eine Heilerin, wer hätte es gadacht.) und ich (Duster, Energiestrahlen verschießender Vermummter). 

So trafen sehr wilde Figuren/Mitspieler. (...die ich hier gern zeigen würde, aber mein alter PC ist mit allen Screenshots aus dieser Zeit in die ewigen Jagdgründe abgeraucht). 
Wir zogen staunend durch eine neue und unbekannte Welt, die unglaubliche Überraschungen in den schillerndsten Farben bereithielt.


Man startet in City of Heroes als Tank, Nahkämpfer, Fernkämper oder Unterstützer (in zahllosen Variationen...Schwert, Energiestrahl, Bogen, Psychische Attacken Schnellfeuergewehr, Faustkampf, Feuerstrahl, Eisstrahl...etc.) und verfolgt als ersten (großen) Boss, einen gewissen Dr. Vahzilok, der Leichen wiederbelebt und in den Kanälen unter der Stadt sein Unwesen treibt.

Nach und nach erkundet man neue Zonen, die im Schwierigkeitsgrad ansteigen. Da seien Steel Canyon (das an das New York der 50er Jahre mit einem Touch Science Fiction erinnert), die Hollows (ein zerstörter Teil der Stadt in dem sich die Trolle, der Dornenzirkel und andere Gangs angesiedelt haben), und der Ziggurat in Brickstown (der Zig ist ein Hochsicherheitsgefängnis aus dem, wie sollte es anders sein, auch gern mal ausgebrochen wird) als Beispiel genannt.
The Hollows
Steel Canyon
Der Ziggurat
Das war für lange Zeit "unser" Spielplatz.
Hier trafen wir Skullbot, den schlechtesten Tank der Welt, den Nicole im Kampf nie länger als 30 Sekunden am Leben halten konnte...ein Aggromagnet vor dem Herrn.
Erwähnenswert ist auch das kniehohe, gräulich zerknitterte Wesen, das sich "Bizarro Fliege" nannte und überaus nett war.
Wir trafen auch das "Blaue Wunder",  "das Kaffeetrinken" und mein absolutes Highlight: "Die Zecke".

Die Community war eine der freundlichsten, wenn nicht DIE freundlichste, die ich je erlebt habe.
Das Wort Noob gab's nie zu lesen und auch die hundertste Frage nach dem Lehrer für Klasse XY wurde hilfsbereit und freundlich beantwortet.
Es war sogar mal folgender Satz zu lesen: "Warte, ich bring dich hin."
Wenn man den Barrens-chat in WoW oder diverse Beschimpfungen in Call of Duty erlebt hat, war City of Heroes so friedlich wie ein Mormonenspielplatz.

Lusca, der Risenoktopus...im Wasser
Es war auch etwas besonderes, wenn eine Gruppe "50er" über einen hinwegflog um eine Rikti Invasion aufzuhalten, oder Lusca den Riesenoktopus zu bekämpfen, wenn er in den Hafen von Steelport schwamm.
Man hatte dieses "Die Großen sind da, jetzt wird alles gut!" Gefühl.
Das lag auch zum Teil daran, dass man noch nicht nachlesen konnte, wer mit welchem Level, was kann. Die höheren Level umgab immer eine mysteriöse Aura.

Dies waren Momente, die erst im nachinein ihre wahre Bedeutung eröffnen, denn heute wären es einfach nur andere Spieler, die eben schön länger dabei sind.
Damals waren es die Halbgötter, die es mit Gegnern aufnahmen gegen die wir nicht den Hauch einer Chance hatten und sich Gefechte lieferten,...von denen ich nun schreiben würde, wenn ich mutig genug gewesen wäre näher heranzugehen, als einen guten Kilometer.

City of Heroes traf aber auch den richtigen Nerv (jedenfalls in den USA), denn es kamen die ersten ernsthaften Comicumsetzungen in die Kinos. Spiderman, die X-Men und irgendwann auch endlich eine Batman Version, die ihren Namen verdient hatte.


Noch ein kurzes Intermezzo.... Zu dieser Zeit las ich gerade "Kingdom Come"...ein Comic in epischer Breite von Alex Ross und Mark Waid. Wer es nicht kennt und auch nur im geringsten Interesse an Comics hat... hier ein kurzer Teaser:

Superman hat der Welt den Rücken gekehrt und die alte Garde der Helden wurde abgelöst durch eine neue, rücksichtslosere Generation. Diese neuen Helden haben nicht mehr die Grundsätze der Alten. Als dann wirklich etwas schief geht, versucht Wonderwoman den verbitterten Superman zu einer Rückkehr zu bewegen... in eine Welt die nicht mehr die seine ist. Viele bekannte Gesichter tauchen auf, und alle sind sie gealtert. Zum Beispiel: Batman.

Der Clark und der Bruce
Batman ist ein sturer alter Mann geworden, der seine Stadt noch immer beschützt, und zwar auf seine Art. Dennoch scheint er gebrochen. Noch ein wenig gebrochener als Superman, denn ihm scheint selbst dort die Hoffnung zu fehlen, wo sie in Superman langsam wieder aufkeimt.

Kingdom Come findet man mit etwas Glück für 12 oder 13 € bei Amazon.
Fantastische Bilder und eine grandiose Geschichte.

Dieses Epos auf dem Nachttisch spielte ich City of Heroes und merkte kaum wie neue Helden kamen und einige der alten gingen. Sie wanderten ab zu neuen Ufern. Doch viele kamen immer wieder zurück.
Zu verlockend war es, mal wieder in Paragon City für Ordnung zu sorgen. Ausserdem hat das Entwicklerteam bis heute 24 Content Patches geliefert.

Enthalten waren neue Gebiete, neue Quests, neue Geschichten und neue Klassen.
"Torment" ein fieser Typ, aber mein fieser Typ.
Zwischendurch kam das Standalone Addon "City of Villains" in dem man die andere Seite kennenlernen konnte. Man zog als Superschurke durch die Welt, und eroberte die Sharkshead Isle und viele andere Zonen. Kurz gesagt, die Welt in der gespielt werden konnte hatte sich in der Größe fast verdoppelt. Dazu kam noch die Möglichkeit von PVP Zonen. Helden gegen Schurken.

Und in 2010 kam die Erweiterung "Going Rogue" auf den Markt mit zwei neuen Kräftesets und der Möglichkeit zwischen den Fronten zu wechseln. Was in einer spannenden Story geschah.

Leider gab es irgendwann zu viele MMOs, von denen viele besser aussahen, oder einfach eingängiger daher kamen.
Iron Bob trinkt einen Tee auf einem Dach in Paragon City
Die Superheldennummer ist nicht jedermanns Sache und Abonnenten blieben aus.

NC Soft, die City of Heroes von Cryptic gekauft hatten (Cryptic ist verantwortlich für das "andere" Superhelden MMO: Champions Online und Star Trek Online), beschlossen auf das mittlerweile ein wenig zu sehr geprügelte Pferd "Free to Play" zu setzen.
Sie warteten ab und tranken Tee... oder Sake oder was auch immer.

...und hofften, dass genug Geld über den City of Heroes Marketplace hereingespült wird.
Dem war leider nicht so.
Woran es lag? Schwer zu sagen. Vielleicht an der mangelnden Werbung?...am Desinteresse der Kunden (nicht Fans...Neukunden)?...an der starken Konkurrenz?
Wir werden es wahrscheinlich nie erfahren.

Am 30. November werden die Tore für immer geschlossen, und wenn nicht ein Wunder geschieht, wird man nie wieder durch Paragon City fliegen können.
Die alten Helden sind nicht mehr da, nur noch die Erinnerungen.

Das sind Momente, in denen ich mich seltsam alt fühle.
Noch dazu, wenn ich einen (virtuellen) Freund zu Grabe tragen tragen, der alt war, ...aber noch nicht alt genug.

Euch, ihr Leser...danke ich, dass ihr so lange bei mir geblieben seid.

Ich schließe mit den Abschiedworten von Andy Belford, Community Manager bei Paragon Studios.

Thank you. Thank you for your years of support. You've been with us every step of the way, sharing in our challenges, encouraging us to make City of Heroes better, more than everyone else thought it could be. We couldn't have come this far without you. I implore you all, focus on the good things of CoH and Paragon Studios. Don't dwell on the "how" or the "why", but rather join us in celebrating the legacy of an amazing partnership between the players and the development team.
Thank you, and I'll see you in the skies, one last time.
Andy Belford
Community Manager
Paragon Studios. 

Kommentare

  1. Ich erinnere mich noch, als wäre es gestern gewesen:
    http://derwillspielen.blogspot.de/2010/03/youre-my-castle.html

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  2. Ich erinnere mich auch noch--- habe es nicht wirklich gespielt, weil ich damals hoffnungslos verwowt war und kaum bis gar nicht bereit war, mich aus meiner bunten Fix- und Foxi-Welt zu verabschieden. Nach DayZ ist aber vermutlich auch Paragon City nicht mehr so "trüb" wie ich das damals empfand, und meine Widerstände gegen eine andere Steuerung sind wahrscheinlich auch nicht mehr so groß.
    Schade.
    Schlaf gut, Stadt der Helden, vielleicht holt dich jemand aus dem Schlummer, irgendwann einmal.

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