Dishonored - Keine Ehre, keine Kekse



Heutzutage ist es eher selten, dass man in einem Spiel kreativ sein kann und Freiheiten hat.
Meist folgt man einer Spur aus Kekskrumen von Actionsequenz zu Actionsequenz, oder wenn die Gamedesigner wirklich auf Nummer sicher gehen wollen, einer fetten roten Linie.
Dishonored gewährt dem Spieler mehr Freiheiten als die meisten anderen Spiele.
Du willst nur schleichen und von niemandem entdeckt werden? - Nur zu.
Alle Gegner unter die Erde bringen, und eine Spur aus Leichen hinterlassen? - Alles klar, tu das.
Vielleicht willst du aber auch so gewaltlos wie möglich vorgehen, und alle Wachen nur betäuben? - Klar, das geht auch.
Die Gegner möglichst kreativ um die Ecke bringen? - Check!
Oder aber einen Weg finden, wie sich andere die Finger schmutzig machen? - Auch da gäbe es Möglichkeiten.
Aber ich greife vor.


Die Story von Dishonored spielt in einer Stadt namens Dunwall.
Von weitem sieht sie aus, wie eine heruntergekommene englische Hafenstadt, deren ehemaliger Reichtum noch heute an vielen Ecken zu sehen und spüren ist. Halflife 2 Veteranen fühlen sich ein klein wenig an City 17 erinnert. Allerdings mit einer klaren Steampunk Note.


In Dunwall wütet eine Seuche, welche die Befallenen in hirnlose, zombieartige "Heuler" verwandelt.
Diese hausen mit den Ratten (die unter anderem Überträger der Seuche sind) in den verfallenen Teilen der Stadt und in der Kanalisation.
Im krassen Gegensatz zu diesem Elend zieht sich der Adel und die Staatsführung in ihre Paläste und Türme zurück.
Der Spieler selbst schlüpft in die Rolle des in Ungnade gefallenen kaiserlichen Bodyguards Corvo Atano.
Da dieser ein Attentat auf die Kaiserin nicht vereiteln konnte, und noch dazu für deren Tod (und das Verschwinden ihrer Tochter) verantwortlich gemacht wurde, landet er erstmal hinter Gitter.
Und genau dort endet das Tutorial und das Spiel beginnt, während man ein Gespräch von zwei Gefängniswachen belauscht, die sich über Corvos geplante Hinrichtung unterhalten. Von dort aus entspinnt sich die Geschichte um die Seuche, deren Gegenmittel (wenn es eines gibt), um Macht, Rache und Erlösung.

Corvo schaltet genretypisch nach und nach neue Kräfte frei, die ihm der mystische "Outsider" gewährt, und die er mit gefundenen oder verdienten Runen bezahlt.
Die Jagd nach den Runen ist ins Spielgeschehen eingebettet und wirkt nicht aufgesetzt, wie z.B. die "Sammle die 100 Flaggen auf den Dächern von Jerusalem" im ersten Teil der Assassins Creed Reihe.
Doch der Spieler hat die Freiheit zu entscheiden welche, der Kräfte er zuerst freischaltet, und somit prägt er selbst das Spielgeschehen.
Wer zuerst den "Blink", einen kurzen Teleport verbessert, der erreicht verborgene Ecken oder Durchgänge, die anderen verschlossen bleiben.
Doch wird er anfangs im Kampf nicht so effektiv sein wie ein Spieler, der die Zeit verlangsamen kann, oder einen Rattenschwarm beschwört.
Egal für welchen Weg man sich entscheidet, es gibt kein Richtig und kein Falsch. Einzig und allein die Tatsache, dass viel Blutvergießen zu einem düstereren Ende führt.
Wer dachte "Deus Ex: Human Revolution" eröffnet dem Spieler viele Lösungsmöglichkeiten, der wird beindruckt sein.
Dishonored bietet beinahe doppelt so viele Lösungen an, und nichts ist offensichtlich, oder die oben erwähnte rote Linie.
Kurz, das Spiel ist umwerfend gut designt. Es vertraut darauf, dass seine Spieler nicht auf den Kopf gefallen sind, und die Werkzeuge, die ihnen das Spiel bietet, kreativ nutzen.

Apropos gutes Design. Die Charaktere, denen Corvo auf seinem Weg durch Dunwall begegnet haben tatsächlich genau das: Charakter.
Auch wenn sie ein klein wenig comichaft und stilisiert sind, fügen sie sich (vielleicht auch gerade deshalb) perfekt in Geschichte und Stadtbild. Alles wirkt wie aus einem Guss.
Die Schlägertypen in den verwahrlosten Straßen haben kantige Gesichter und tragen leicht abgewetzte Tweedanzüge in denen sie schon einige Nächte verbracht haben.
Im krassen Gegensatz dazu stehen die Wachen. Ihre Uniform, und die Kleidung der Aristokratie scheint sauber, gebügelt und gestärkt.


Dinge wie diese nimmt man nur unterschwellig wahr, doch sie ermöglichen dem Spieler so einfach und so tief in der Welt von Dishonored zu versinken.
Zu dieser Atmosphäre tragen auch die überragenden Sprecher bei. Im englischen Original wurden Talente wie Carrie Fisher, Lena Headey und Susan Sarandon angeheuert. Die deutschen Sprecher müssen sich allerdings in keinster Weise vor den großen Namen verstecken, denn ihre Leistung ist genauso überragend.
Absolutes Highlight: Die Lumpenkönigin (die dem Spieler das Leben ein wenig vereinfacht, wenn man ihr einen oder zwei Gefallen tut).


Dishonored macht es dem Spieler generell einfach die Grundbegriffe zu erlernen. Die Steuerung ist absolut präzise und durchdacht. Man führt keine ungewollten Aktionen aufgrund schwammiger Steuereingaben aus. Die Anzeigen auf dem Bildschirm sind anpassbar und das Spiel schafft es (ohne die rote Linie) dem Spieler zu vermitteln wo es weitergeht, oder weitergehen könnte.
Kein Spiel schafft es so elegant aus der Egoperspektive dem Spieler zu vermitteln, dass er DER Meistermeuchler ist. Wem zum ersten mal ein "Killjump" von einem 12 Meter hohen Hausdach auf eine ahnungslose Wache gelingt, der fühlt sich wie der Superninja von Dunwall.


Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass wir es hier mit einem Klassiker vom Kaliber eines Deus Ex oder Bioshock zu tun haben.
Ein Spiel an dem sich kommende Schleicher/Story-Shooter/Actiongames messen lassen müssen.
Es verspricht nicht nur vollmundig die wildesten Dinge (man kann Dishonored z.B. tatsächlich durchsspielen ohne auch nur einmal zu töten), sondern löst die Versprechen auch ein.
Dishonored dauert irgendwo zwischen 8 und 12 Stunden. Das klingt vergleichsweise kurz für einen Vollpreistitel.
Aber auch hier gilt: "Mehr Klasse als Masse". Diese 8-12 Stunden wird man auf höchstem Niveau unterhalten und fachsimpelt noch wochenlang mit Freunden, wie man denn diese und jene Situation gemeistert hat.
Ein absolut großartiges Spiel in jeder Hinsicht.


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