Von Topcheckern, Anonymität, Kacknoobs und fiesen Beleidigungen



Es liegt anscheinend in der Natur des Menschen, dass er mit seinen Fähigkeiten und Statussymbolen hausieren geht. Sei es ein neues Auto, eine neue Konsole (ich hab' gehört Nintendo hat da was neues am Start... aber das ist bestimmt nur ein Gerücht), man zeigt gern was man hat. Meist aus zwei Gründen.
Entweder man will seine Freude teilen, oder schlicht und ergreifend angeben. Dann hört's auch schon wieder auf.
Die Sache mit den Fähigkeiten, den Skillz, wie es die Topchecker in ihren Elfenbeintürmen gerne nennen, läuft ein wenig anders. Sie geht tiefer.
Hierzu zwei Szenen aus bekannten Genres:

I.: World of Warcraft (MMO)




Da stand ich nun mit Arkayne, meinem Magier (der Screenshot oben wurde Monate später aufgenommen), umringt  von vier anderen Spielern im Kral von Razorfenn (ein wenig berühmter und auch nicht sonderlich schlauer Mann nannte es auch gern mal "Ratz-Ofen"). Razorfenn ist eine midlevel Instanz und nicht sonderlich schwierig.
Trotz dieser Tatsache haben alle erstmal rumgestanden und ihre blau- und lilafarbenen Waffen in den Gruppenchat gepostet. Die meisten Sachen waren im Auktionshaus gekauft, was keiner zugab.
Es dauerte nicht lange, da merkten die vier Helden, dass der Magier in ihrer Mitte noch gar keine Waffe gepostet hatte.
Ein paar Augenblicke später hatten mich alle mal abgeleuchtet. Will sagen: sie hatten meine Ausrüstung und Werte abgecheckt.
Dann ging's los.
"Ey du hast ja nur grüne Sachen an.", "Du machst ja keinen krassen damage.", "Voll der Gimp-Mage." dicht gefolgt von der einzigen Frage, die ich natürlich gern beantwortet habe.
"Warum bist'n du so schwach?".... Antwort: "Ich war oft krank als Kind."
Dann wurde kurz gelacht, und ich dürfte trotz meines offensichtlichen Handicaps mitspielen.
Das war aber erst der Anfang, denn die vier Großmeister ließen, in einem nicht enden wollenden Schwall, Tips vom Stapel.
Das erstaunliche daran war, dass sie sich derartig gegenseitig widersprochen haben, dass der Ton plötzlich seeeeehr ruppig wurde.
"Du Kacknoob, hast ja keine Ahnung wie man einen Mage zockt!" sprach der Paladin zum Heiler. Dieser war der Meinung, dass der Paladin sowieso von nix einen Plan hat, sonst würde er ja keinen Pala spielen...usw.
Jeder der in ein MMO reingeschnuppert hat, kennt die Szene.

Seltsamerweise entstehen solche Szenen erst, wenn das MMO ein gewisses Alter erreicht hat. In neuen MMOs (zuletzt selbst gesehen in Guild Wars 2 und The Secret World) ist die Community in den ersten Wochen total nett und super hilfsbereit.
Weil noch keiner so recht Ahnung hat, wie die Mechaniken hinter den Kulissen funktionieren, reisst auch niemand die Klappe auf und beschimpft andere als Noob.
Wenn allerdings genug Guides im Umlauf sind, kippt die Freundlichkeit und viele von den ehemals netten Mitspielern gehen sich gegenseitig im Chat an die Gurgel.
Warum?.... Weil jeder meint, dass ER den wahren Weg kennt. JEDER ist plötzlich DIE Kapazität in Sachen Spielmechanik, PVP, Crafting und was weiß ich alles.
Alle meinen es gut, bis jemand anderer Meinung ist. Ab diesem Moment hat alles im Chat Potenzial zum heiligen Krieg.
Der Hauptgrund dafür ist, wie so oft, in der Anonymität des Internets zu suchen.
Niemand kann für seine Taten (oder Worte) verantwortlich gemacht werden, da ja niemand genau weiß WER man überhaupt ist. Jedenfalls ist dies nur unter großen Mühen herauszufinden.
Leider lässt genau dies, das Schlimmste in einigen Spielern zum Vorschein kommen.
Die Axt im virtuellen Walde.
Aber es geht noch schlimmer.

II.: Battlefield 3 (Online Shooter)



Ich hatte Battlefield 3 auf der XBox 360, war somit an die grandiose Padsteuerung gewöhnt.
Nun bin ich über ein Angebot gestolpert, welches ich nur schwer ignorieren konnte:  14,98 für BF3 PC Download.
Wozu man wissen muss, dass in Anbetracht des geringeren Ramspeichers moderner Konsolen, dort die Karten kleiner sind und 32 Spieler gegeneinander antreten (auf dem PC sind es 64).
Natürlich hab ich es sofort installiert und losgelegt.
Ich konnte mein Glück kaum fassen, als ich sah, dass die PC Version von BF3 auch das Microsoft XBox360/PC Pad unterstützt.
Dieses habe ich natürlich nach meinen Wünschen umkonfiguriert. Dummerweise mitten in einem laufenden Match (für die Steuerungsempfindlichkeit geht's nunmal nicht anders).
So stand ich ein wenig verloren in meiner Deckung herum und konfigurierte vor mich hin.
Bis mich ein Mitspieler per Chat fragte:  "Watcha doin?"
Tja was mach ich da wohl, ich backe einen Kuchen aus meiner Munition, lieber Soldatenfreund...magste auch ein Stück?
Das sagte ich natürlich nicht, ich sagte die Wahrheit, ich Depp.
"I'm configuring my Gamepad!"
Das gesamte Match schien anzuhalten. Kaum jemand feuerte mehr. Es herrschte Stille.
Aber nur kurz, denn dann explodierte die Welt, jedenfalls im Chat.
"YOURE DOIN WHAT???"
"Play like a man with mouse and keys."
"Fuckin noob get off my team"
"Damn Kiddie, go back to your childish console, you Fucker."
"Yeah play with your fucking toys...let the men handle the war."
...und noch einige Variationen in diesem Stil.

Tja, da war ich erstmal sprachlos. Ich hatte nix gemacht, niemanden erschossen und/oder beleidigt, nix. Trotzdem bin ich von locker dreißig Leuten aufs übelste beschimpft worden.
So gab ich die einzig mögliche Antwort.
"You guys are just jealous of my Gamepad."
Dann ging's erst richtig los.
Aber warum?

Ich bin anscheinend in die Testosteronhölle geraten, wo sich jeder für DEN 500 Pfund Gorilla hält.
Man(n) ist stolz auf sein Equipment. Der Umgang mit Maus und Keyboard wird beinahe zu einer Kunst hochstilisiert und es gilt als Sakrileg mit anderen Waffen als der heiligen Maus und dem gesegneten Keyboard in den virtuellen Krieg zu ziehen.
Nach einigem googeln und lesen, bin ich mittlerweile der Meinung, dass dieses "Kriegsding" einen ganz primitiven Teil in unserem Gehirn anspricht.

Die Verhaltensforschung nach Konrad Lorenz meint z.B., dass Aggression innerhalb einer Gruppe viel mit Rangordnung zu tun hat.
Was nur bedingt auf das Spielen von Online Shootern angewendet werden kann.
Was allerdings einleuchtet ist, dass das simulierte Spiel echte Aggressionen aufbaut. Das klappt besonders gut bei Menschen, die eine niedrige Frustgrenze haben oder (und ich gehe davon aus, dass dies die Minderheit ist) einen unterdurchschnittlichen IQ unterm Scheitel haben.
Diese Aggression bricht sich dann oft Bahn in einem übersteigerten Revierverhalten bei dem der Betroffene glaubt, er müsse "Haus und Hof" gegen den dummen/bösen/andersartigen Eindringling verteidigen. Da in solchem Fall die virtuelle Kugel oft  nicht ausreicht, wird gern auch noch die Chatkanone mit diversen Schimpfworten (gern auch homophob, was man mit dem gesteigerten Testosteronspiegel erklären kann)  bemüht.
Apropos gesteigerter Testosteronspiegel, der steuert Imponiergehabe und Kampfverhalten, was natürlich auch wieder einiges erklärt.

Die meisten Spieler haben dieses Problem nicht, oder nur sehr schwach. Am verbreitetsten ist es bei 15-25 jährigen, männlichen Spielern, die sich meist auch noch über ihre Online Shooter Leistungen definieren.
Daher kann es auch ausserhalb des Schlachtfeldes zu solchen Ausbrüchen kommen (z.B. in Foren).
Die Forschung in diese Richtung ist leider noch ein wenig dünn.
Aber als Feldversuch in Battlefield einfach mal den Konsolero am PC zu geben, beschert sicherlich jedem Verhaltensforscher einen kaum zu überschauenden Wust an Daten.
Natürlich will ich hier niemanden beleidigen. Deswegen Folgendes: Die meisten Spieler mit denen ich in meiner langen Laufbahn als Konsolen/PC Zocker zu tun hatte, waren/sind absolut nette Kerle und fallen, wenn überhaupt, nur sehr schwach in das Schema des aggrressiven Shooter Zockers.
Dennoch erklärt dies alles mein Erlebnis in Battlefield 3 sehr anschaulich und einleuchtend.

Das Internet zeigt anscheinend eine Wirkung, die man gemeinhin nur dem Alkohol nachsagt: Es bringt den wahren Charakter eines Menschen zum Vorschein.
Dementsprechend kann man sagen, dass generell angenehme, umgängliche Menschen auch im Internet, bzw. beim spielen als angenehm wahrgenommen werden.
Um alle anderen sollte man eigentlich nur einen Bogen machen sobald man merkt wes Geistes Kind sie sind.
Denn dagegen angehen ist schier unmöglich, im Don Quixotschem Sinne.
Um es in einen kurzen Satz zu fassen:  Don't feed the Troll.


Kommentare

  1. Den gamepad moment kann ich mir gut vorstellen, saugeil! Ich lach traenen ;-)

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  2. Danke.... das mit dem Pad war vorgestern und ich hab's bis heute noch nicht so recht verkraftet. ;)

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