Liften Schwaltz, ein Junge von nebenan - Metal Marines - SNES

Früher war alles besser.
Die Musik war besser, die Filme waren besser, das Fernsehprogramm sowieso.
Und natürlich die Computerspiele.
Hach, die Spiele aus den Achtzigern und Neunzigern.
Was waren das doch für coole Spiele!
Echt? Waren sie das wirklich? Oder schauen wir bloß mit einem nostalgieverklärten Blick in die Vergangenheit und ignorieren dabei all die grässlichen Gurken, die uns damals auf Computer und Konsole heimgesucht haben?
Und verdrängen selbst die Macken bei den echten damaligen Topspielen, die man heute im Leben nicht mehr akzeptieren würde?
Schaun mer mal.

1993 war wieder mal Rivalität ausgebrochen - SNES vs. Mega Drive hieß es damals, schön Tradition des ewigen Atari vs. Commodore-Streits. Ich hatte (und hab auch immer noch) ein Mega Drive, Knut hatte sich ein SNES zugelegt.
Weil wir nun doch schon relativ erwachsen waren, haben wir uns dann aber nicht gegenseitig angezickt, wer denn nun das bessere System hatte, sondern und stattdessen abwechselnd bei ihm und bei mir getroffen und die Kracher auf den jeweiligen Systemen in trauter Zweisamkeit durchgezockt.
Darunter auch der Titel, um den es heute geht:

Metal Marines

Metal Marines kann man guten Gewissens als Großvater aller heutigen Tower-Defense-Spiele bezeichnen, hat es doch fast schon alle Elemente, die man heute verwendet, vorweg genommen.
Aber fangen wir von vorne an:
Es ist die alte Leier - Wissenschaftler entdecken etwas - in diesem Fall die Verwendung von Antimaterieals Energiequelle - und das Militär missbraucht es. Bei einem eher harmlosen Grenzkonflikt im Jahr 2115 meint einer derbeteiligten Militärs, man könne das doch jetzt mal mittels Antimaterie klären. Das Ergebnis ist fatal: In einer Kettenreaktion brechen die Kontinente der Erde  auseinander, übrig bleiben nur noch kleinere Inseln, wo früher Amerika, Europa und Asien waren.
Natürlich ist das Militär trotzdem nicht lernfähig und so ruft sich General Zorguef zum Herrscher der verbliebenen Welt aus.
Die letzten freien Menschen leisten nun mit Unterstützung der Weltraumkolonien Widerstand und versuchen, Zorguef in seine Schranken zu verweisen (übrigens ist interessanterweise in der PC-Version Zorguef der Angreifer aus dem Weltraum und will die Erde erobern).

So weit, so abgedroschen. Interessant macht das Ganze aber die Spielmechanik.
In jedem Level (leider bietet der Titel keinen Multiplayer sondern lediglich eine Solo-Kampagne) stehen sich zwei Inseln gegenüber, die des Spielers und eine unter der Fuchtel eines der zahlreichen Schergen Zorguefs (darunter auch der gute Liften Schwaltz, der uns mit seinen Truppen in den Überresten Berlins erwartet. Vermutlich halten japanische Programmierer solche Namen für typisch deutsch...).
Zu Beginn des Levels platziert der Spieler zunächst seine drei Hauptquartiere, die er in Folge vor den Angriffen des Gegners schützen muss.
Zum Schutz kann er nun diverse Verteidigungsanlagen bauen - in der Regel sind dies (aufrüstbare) Luftabwehrraketen, Geschütztürme und Radaranlagen.
Parallel dazu baut man (ebenfalls aufrüstbare) Raketensilos und die namensgebenden "Metal Marines", Kampfmechs, die mit Geschützen ausgestattet per Shuttle auf die Insel des Feindes gebracht werden, um dort dessen Anlagen zu zerstören. Sinnvoller Weise hat man natürlich vorher bereits mit den Raketen die Verteidigungslinien des Feindes soweit geschwächt, dass die Metal Marines unbehelligt landen können.
Dasselbe versucht natürlich auch zur gleichen Zeit der Gegner.
Um mehr Waffen und Abwehrbatterien zu bauen braucht es Geld, das entweder konstant, aber langsam aufs eigene Konto träufelt, oder, wenn man entsprechende "Geldfabriken" baut, in stetem Strom das eigene Säckchen anschwellen lässt.
Angriffe wiederum brauchen Energie, die ebenfalls von selbst generiert wird (sehr gemächlich) oder aber durch Kraftwerke erzeugt wird (recht fix).

Wird man am Anfang noch auf einer gut ausgestatteten Insel abgesetzt, werden die bereits fertig aufgebauten Verteidigungs- und Angriffsanlagen auf der eigenen Insel von Level zu Level weniger, bis man schließlich auf einer leeren Insel beginnt und alles von Null an aufbauen muss.
Gebaut wird dazu mittels eines konstant eingeblendeten Baumenüs, aus dem man die zu errichtenden Einheiten auswählt, die man dann via Joypad positioniert. Das bauen nimmt dann eine gewisse Zeit in Anspruch und so sitzt man dann zitternd da und hofft, dass der Gegner nicht gerade in diesem Moment Raketen auf den Weg schickt, um die teuer gekauften Abwehrtürme dem Erdboden gleich zu machen.

Denn der Gegner schläft nicht, sondern agiert ebenfalls in Echtzeit und so muss man eine geschickte Balance zwischen dem ressourcenfressenden schnellen Hochziehen seiner Artillerie und dem ressourcenauffüllenden, aber gerade zu Beginn kostspieligen Errichten von Backup-Fabriken finden.
Mehr Geld bedeutet aber auch wiederum die Möglichkeit zur Errichtung stärkerer und besserer Waffen bis hin zu einer gigantischen Rakete mit einer allerdings ebenso gigantischen Bauzeit, immensen Kosten und unverschämt hohem Platzbedarf.

Wie spielt es sich?

Nach ein wenig Eingewöhnung geht der Umgang mit dem Baumenü gut von der Hand, dem mausgewöhnten Spieler von heute stößt aber trotzdem die Trägheit bei der Positionierung des Steuerkreuzes für den Bau neuer Einheiten sauer auf - nicht selten gehen bei den Versuchen, in der doch etwas krümeligen Grafik die richtige Stelle anzupeilen, wertvolle Sekunden verloren, die der Feind nutzt, um seinen eigenen Angriff zu starten.
Eine Designentscheidung aus der Hölle (komisch, früher hatte mich das gar nicht so gestört) ist Namcos Idee, den Spielfluss ständig dadurch zu unterbrechen, dass eine kurze animierte Sequenz eingespielt wird, in der sich der gegnerische Kommandant wahlweise über den Spieler lustig macht, ihn zum Aufgeben auffordert oder ihn in höchsten Tönen verflucht - alles dummerweise völlig unabhängig von der aktuellen Spielsituation, dafür aber mit nicht zu unterschätzender Penetranz.

Wie sieht es aus, wie hört es sich an?

Strategiespieltypisch war die Grafik schon damals nicht gerade "State of the Art" und ist auch mit der Zeit nicht wirklich besser geworden, aber sie ist zumindest zweckmäßig. Die Einleitungen der einzelnen Kapitel bestehen aus (sehr) dezent animierten Standbildern und geschriebenem englischen Text, der etwas über das kommende Level und Stärken und Schwächen der gegnerischen Kommandanten verrät. Diese tauchen dann, wie schon erwähnt, auch in den laufenden Missionen regelmäßig auf und geben ihre Kommentare ab.
Der Sound ist nintendotypisch eine ordentliche Mischung aus synthetischem und orchestralem Soundtrack, nicht herausragend, aber auch nicht unangenehm. Knackige Soundeffekte sucht man vergeblich.

Wie schlägt es sich heute?

Immer noch erstaunlich gut - die alte Sucht, nur noch einen Level spielen zu wollen, bis man bemerkt, dass schon wieder drei Stunden herum sind, schlägt gnadenlos zu und man erwischt sich immer wieder dabei, wie man wie gebannt auf die Raketen des Gegners starrt und einmal mehr hofft, dass die eigene Flugabwehr zielsicher genug ist, diese verdammten Dinger vom Himmel zu holen, bevor sie wieder einmal verheerenden Schaden anrichten können.
Kurz - es ist erstaunlich gut gealtert und auch heute noch für eine kurze (gelegentlich auch längere) Runde gut. Wer es für einen Fünfer auf Ebay bekommt (mit Verpackung natürlich mehr), kann beruhigt zuschlagen, damit er eines Tages seinen Enkeln sagen kann "Ihr spielt Tower Defense? Opa kannte es schon, da war es noch soo klein!"

Metal Marines gibt es für SNES, in doppelter Auflösung für PCs unter Windows 3.1 (sogar in einer Version mit Sprachausgabe als "Master Edition") und für die Virtual Console.

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